Schlagwort-Archive: Intensivstation

Momentaufnahme Nr. 7 – Loch im Schädel

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Neulich habe ich etwas sehr Interessantes erfahren und eine ebenso interessante Entdeckung an meinem Verhalten gemacht. Einige von euch erinnern sich vielleicht an meine Begegnung mit dem groß gewachsenen Hünen, der sich mit einer Schreckschusspistole ein Loch in den Kopf riss (https://leihmirdeinohr.wordpress.com/2012/09/08/praktikum-auf-der-notaufnahme-wie-in-einem-schlechten-film/).

Erinnert ihr euch, wie aggressiv und bedrohlich die ganze Situation war? Wie er von Polizisten bewacht und von der Psychiaterin als „bescheuert“ bezeichnet wurde? Hattet ihr beim Lesen des Artikels ein bestimmtes Gefühl? Ein Vorstellung von diesem Mann und von der Atmosphäre, die er mit sich brachte?

Wenn ja, dann achtet nun genau darauf, wie sich dieses Gefühl verändert, wenn ich euch erzähle, was ich von der Freundin meines Bruders erfahren habe.

Seit einigen Monaten hat mein großer Bruder eine Freundin, mit der er inzwischen auch zusammen wohnt. Ich kannte sie schon lange, bevor sie mit ihm zusammen kam, wenn auch nur flüchtig. Sie arbeitete nämlich zur gleichen Zeit im gleichen Krankenhaus, wo wir uns einmal über den Weg liefen.

Neulich sprach sie einen Fall an, der mir bekannt vorkam.

„Auf der Intensivstation gab es einen Mann, der sich mit einer Schreckschusspistole in den Kopf geschossen hatte“, sagte sie. „Das war gruselig. Ich war ungern mit ihm allein.“

„Eine Schreckschusspistole?“ Ich stutzte. „War er groß und hatte eine Glatze?“ Lies den Rest dieses Beitrags

Intensivstation – Magie im Spiel

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Dieser Artikel enthält Schilderungen über selbstverletztendes Verhalten und könnte eine triggernde Wirkung haben. Personen, die in diese Richtung anfällig sind, sollten ihn daher nicht lesen!

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Ich habe schon häufiger versucht, kleine Zaubertricks oder interessante Kunststücke zu lernen. Zuletzt habe ich mich in der Kunst der Kontaktjonglage geübt. Dafür habe ich mir einen entsprechend großen und schweren Kunststoffball gekauft, der extra für angehende Kontaktjongleure hergestellt wurde und ein dazugehöriges Anleitungsbuch. Meine Finger haben aber nie das gemacht, was auf den Buchseiten abgedruckt war. Vielmehr haben sie den Ball absichtlich zu Boden fallen und vom Handteller gleiten lassen. Jedenfalls kam es mir so vor, als würden sie gegen mich und meine artistischen Pläne intrigieren.
Mir hat das nötige Feingefühl und die Geduld gefehlt, es zu entwickeln.

Deshalb bewundere ich Menschen umso mehr, die mit ihren Fingern Karten verschwinden und woanders wieder auftauchen lassen, die mit vier oder mehr Bällen jonglieren oder die Illusionen erschaffen, die so greifbar und echt wirken, dass man sofort bereit ist, sein Wissen über Physik, Schwerkraft und Logik über den Haufen zu werfen.

Auf der Intensivstation machte ich die Bekanntschaft einer jungen Frau, die ihre Fähigkeiten auf traurige Art und Weise perfektioniert hatte.

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Janine war nicht auffindbar, als unserem Zimmer eine neue Patientin zugeschrieben wurde. Also half ich den Pflegern von der Notaufnahme, das Bett auf den freien Platz zu manövrieren. Leider kannte ich die Pfleger nicht, doch ich bat sie trotzdem, Grüße an die Schwestern auszurichten. Ich nahm die Akte entgegen und begrüßte die Patientin. Sie war jung und hatte ein hübsches Gesicht. Ihre dunkelbraunen Locken fielen bis auf ihre Schultern. Eine Strähne hatte sich quer über ihre Nase gelegt, doch sie konnte sie nicht aus ihrem Gesicht streichen. Ihre Arme waren am Krankenbett fixiert. Sogar den rechten Arm, der in einem Gips steckte, hatte man an die Streben des Bettes gebunden. Lies den Rest dieses Beitrags

Intensivstation – der eitle Doppelgänger

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Es gibt Momente im Leben, da stellt man sein komplettes Dasein in Frage. Das Selbstbild und -bewusstsein, Erinnerungen an das eigene Spiegelbild, Träume, Wünsche und Hoffnungen, alles stürzt ein wie ein schlecht gebautes Kartenhaus. Einen solchen Moment erlebte ich auf der neurochirurgischen Intensivstation, als ich Frau Schneider kennenlernte.

Der Pfleger, dem ich zugeteilt war, ließ sich kaum blicken und verbrachte seine Zeit lieber auf anderen Stationen. Wie er mir erklärt hatte, suchte er nach einer neuen beruflichen Herausforderung und versuchte aus diesem Grund, seine Vollzeitstelle auf eine andere Station umzuschreiben. Da wir nur zwei Patienten in einem Zimmer zu betreuen hatten, verbrachte ich die meiste Zeit zwischen den Betten, um  Kleinigkeiten zu sortieren, Elektroden neu zu kleben, die Pflegekurve zu schreiben und die beiden älteren Frauen zu waschen. Die erste Patientin, die ich mit den angegrauten Lappen wusch, lag im Koma und reagierte nicht auf meine leisen Erzählungen. Die zweite Patientin schlug jedoch die Augen auf, als ich ihren Arm anhob, um ihre Achsel zu säubern. Sie stieß einen spitzen Schrei aus.

Ich hob die Hände und sagte: „Verzeihen Sie. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich würde Sie gern waschen, wenn Sie nichts dagegen haben.“

Ihre kreisrunden, wässrigen Augen starrten zu mir hoch. „Kerstin!“ Lies den Rest dieses Beitrags

Intensivstation – ein feuchter Todeswunsch

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Achtung, dieser Artikel beschäftigt sich mit Suizidalität und Selbstmordabsichten. Menschen, die auf solche Themen empfindlich reagieren, sollten ihn daher nicht lesen.

Das Thema „Selbstmord“ löst für gewöhnlich hitzige Debatten aus. Ist es egoistisch, sich umzubringen, wenn man keine Perspektive mehr für sich sieht? Schuldet man es seiner Familie und seinen engsten Freunden, weiterzukämpfen, obwohl der Horizont hinter der Hoffnungslosigkeit immer weiter in die Ferne rückt? Ist es unser Recht, frei über unser Leben und eben auch unseren Tod zu entscheiden? Oder ist das Leben etwas Unantastbares und liegt außerhalb unserer Entscheidungsgewalt?

Habe ich das Recht, einem fremden Menschen die Entscheidung abzunehmen und über sein Leben zu verfügen? Oder ist es grausam, einfach wegzusehen und der Todessehnsucht freie Bahn zu lassen?

Ich bin niemals wirklich zu einer Antwort gekommen. In der Sterbebegleitung wird jede Art von aktiver Sterbehilfe abgelehnt. Ist man Mitglied in einer Organisation, die aktive Sterbehilfe unterstützt, ist man automatisch und ohne Diskussion von jeder Hospizmitarbeit ausgeschlossen. Dort herrscht die Ansicht vor, dass das Leben weder künstlich verkürzt noch verlängert werden sollte. Dass jeder Tod das Resultat eines natürlichen Prozesses ist.

Was aber ist Selbstmord? Lies den Rest dieses Beitrags

Intensivstation – das Schlauchgeheimnis

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So, nun geht der Sterbebegleitungskurs in weniger als einer Woche bereits los. Ich bin gespannt und langsam ganz schön aufgeregt. Mein Freund ist wieder da und kocht vernünftiges Essen für mich, mit Vollkornspaghetti und Pesto ist also vorerst Schluss! Gestärkt und zufrieden kann ich mich somit wieder meinen Erlebnissen auf der Intensivstation widmen.

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Inzwischen pendelte ich zwischen der neurochirurgischen und der kardiologischen Intensivstation hin und her, weil sich die Pflegeleitung nicht ganz sicher war, wo ich denn nun eigentlich hingehörte. Das Personal auf der kardiologischen Intensivstation wurde ein wenig von den „Neurochirurgen“ belächelt, weil die Fälle dort weniger spektakulär waren. Auf der chirurgischen Station lagen offene Schädeldecken, Gefäße mit Gehirnflüssigkeit und Patienten, die nach ihren Operationen am Gehirn wesensverändert aus dem OP gefahren wurden. Die kardiologische Station hatte größtenteils mit sehr alten Menschen zu tun und kümmerte sich um alles, was nichts mit dem Kopf zu tun hatte. Der Großteil der Patienten lag im Koma, einige waren verwahrlost oder so aufgedunsen, dass man nur mit Mühe die Nase vom Kinn unterscheiden konnte. Ich fühlte mich auf beiden Stationen nicht sonderlich wohl. Was mich am meisten störte, waren nicht die Gerüche oder der raue Umgangston, sondern das Desinteresse und die Ablehnung des Personals, die in der Gegenwart eines ansprechbaren Patienten spürbar wurde.

Auch hier betreuten die Schwestern und Pfleger mehr Patienten, als es eigentlich zulässig war. Teilweise kümmerte sich eine einzige Schwester um vier Intensivpatienten, obwohl normalerweise eine 1:1-Betreuung angestrebt wird. Dementsprechend schlecht konnte auf die Bedürfnisse der Patienten eingegangen werden.

Eines Tages wurde ich einer sehr jungen Schwester namens Janine zugeteilt, die keinen Hehl daraus machte, dass es ihr zu anstrengend war, mir ihre Handgriffe und die Routine zu erklären. Die meiste Zeit über blieb ich mir daher selbst überlassen. Ich sortierte gerade Bettpfannen in die Schränke ein, als ich ein gequältes Stöhnen aus Zimmer Fünf hörte, welches bald darauf in ein ersticktes Gurgeln überging. Ich schloss die Schranktüren und betrat das Zimmer, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Der alte Mann im Bett hatte vor einigen Wochen ein Tracheostoma bekommen, ein Loch in der Luftröhre, über das die Beatmung gesichert werden konnte. Aus der Wunde ragte das Endstück des geriffelten Sauerstoffschlauchs, seine Finger fuhren ziellos durch die Luft. Der Schleim, der in seinem Hals entstand, störte die Sauerstoffzufuhr und erschwerte ihm das Atmen, deshalb musste er regelmäßig abgesaugt werden. Lies den Rest dieses Beitrags

Intensivstation – Der Entertainer

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Die Hälfte meiner Zeit auf der neurochirurgischen Intensivstation lag bereits hinter mir, als ich Gunnar zugeteilt wurde. Gunnar war ein fülliger Mann Anfang Vierzig, der zu jeder Tages- und Nachtzeit ein handbesticktes Taschentuch in den Falten seines Kasacks mit sich trug, um ab und an über seine Glatze zu reiben.

„Das regt die Durchblutung an“, verriet er mir, nachdem wir uns einander vorgestellt hatten. „Das ist gesund und hält jung!“

Er arbeitete neben seinen Schichten im Krankenhaus auf einem Kreuzfahrtschiff als Entertainer. Auf meine Frage, was genau ich mir darunter vorzustellen hätte, vollführte er ausschweifende, theatralische Gesten und rief aus: „Also, das kann ich so nicht beantworten. Das lässt sich nicht erklären, nur erleben!“

Ich nickte und verkniff mir ein Grinsen. Gunnar wirkte wie ein aufgeregtes Huhn mit Glatze. Ich mochte ihn sofort. Die Zusammenarbeit mit ihm war angenehm und unterhaltsam, da er seinen Aufgaben als Entertainer auch zwischen den Krankenbetten nachkam.

„Hören Sie, hören Sie!“, sagte er zu einem alten Mann, der nicht mehr sprechen konnte, mit seinen Augen jedoch aufmerksam das Geschehen um ihn herum verfolgte. „Ich erzähle Ihnen eine Geschichte!“

Der Patient kniff die Augen zusammen und fixierte Gunnar. Er wirkte verblüfft.

„Also…“ Gunnar kicherte. „Ein Patient liegt auf der Intensivstation und hat nicht mehr lange zu leben…“

Ich zuckte die Achseln, als der Blick des Patienten zu mir wanderte und lächelte entschuldigend. Ob der Patient über Gunnars Geschichte würde lachen können? Schließlich lag er selbst ebenfalls auf der Intensivstation und hatte nicht mehr lange zu leben, obwohl die Ärzte planten, ihn in einigen Tagen wieder nach Hause zu entlassen, damit er dort von seinen Angehörigen gepflegt werden konnte. Lies den Rest dieses Beitrags

Intensivstation – Die Deutsche Eiche

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Mein Seminar ist vorbei, die Arbeit am Institut ist erledigt. So sitze ich nun mit meinem Freund im Wohnzimmer auf der Couch und habe die Beine bequem auf dem Couchtisch abgelegt. In einem Monat beginnt die Ausbildung zur Sterbebegleiterin, ich bin mir gar nicht sicher, ob ich die Krankenhausgeschichten bis dahin abhandeln kann. Zur Not muss ich mit Überschneidungen berichten, das ist hoffentlich nicht zu verwirrend.

Der große, zähe Block der Intensivstation liegt vor mir. Die Erinnerungen sind teilweise verschwommen und sehr durchwachsen, da es die unfreundlichste Station war, auf der ich gearbeitet habe. Es gab zwar einige Ausnahmen, doch insgesamt war die neurochirurgische Intensivstation ein sechswöchiger Abschnitt meines Praktikums, den ich lieber weggelassen hätte. Stattdessen wäre ich lieber länger auf der Notaufnahme geblieben oder früher in den Kreißsaal gegangen. Aber der Ausbildungsvertrag mit dem Krankenhaus sah eben Anderes vor.

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Meinen ersten Tag auf der Intensivstation trat ich mit gemischten Gefühlen an. Von mehreren Seiten war ich bereits vorgewarnt worden, dass die neurochirurgische Intensivstation keinen Hehl daraus machte, dass Praktikanten eine Belastung waren. Nun, ganz Unrecht mag diese Station nicht damit haben. Praktikanten sind in den ersten Tagen tatsächlich eine Belastung, wie jeder andere neue Mitarbeiter auch. Sie wissen nicht, welche Routine die Station am Laufen hält, wer wieviel zu sagen hat, wie der Umgangston ist, wo die Medikamente, Sauerstoffflaschen oder Rea-Wagen sind. Dass sie ab und zu im Weg stehen oder tatenlos herumsitzen, wenn sich niemand um sie kümmert, ist daher ganz normal.

Ich habe allerdings noch keinen Praktikanten kennengelernt, der keine Lust gehabt hätte, etwas Neues zu lernen. Insofern lohnt es sich, ein wenig Zeit und Mühe zu investieren, damit der Praktikant bald zu einer Hilfe wird und sich in die Station einbringen kann. Ich kann aber nicht sagen, inwieweit ich als eingefleischter Mitarbeiter einer Station nach drei Jahrzehnten noch die Muße hätte, von Grund auf den Urschleim des Stationslebens begreifbar zu machen, also halte ich mich mit Urteilen diesbezüglich lieber zurück.

Ich kam pünktlich zur Teambesprechung hinter dem Empfangsschalter. Eine kleine Schwester mit dunklen Locken und Brille sah mich irritiert an. „Wer bist denn du?“ Lies den Rest dieses Beitrags

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